Meinung machen. Mit Statistiken und Behauptungen. Ein Nachtrag

Ich hatte Ihnen in der vergangenen Woche an Beispiel aufzuzeigen versucht, warum man gehörig aufpassen muss bei der Bewertung von Statistiken und vor allem den vielen Meldungen, die heutzutage durchs Netz geistern.

Zuerst hatte ich Ihnen diese Abbildung aus dem seriösen Handelsblatt gezeigt:

Wir haben das besprochen: Vor allem die Skalierung der Y-Achse ist hochproblematisch, denn sie bewirkt eine visuelle Dramatisierung des Rückgangs der Umfragewerte für die AfD. Und der visuelle Eindruck bleibt oftmals hängen.

Hängen bleiben auch die vielen Fake-News, auch wenn Sie im Nachhinein als falsche Nachricht entlarvt werden. Ich hatte Ihnen das in meinem letzten Beitrag Immer diese Repräsentativität. Oder: Vorsicht ist die Mutter (nicht nur) der statistischen Porzellankiste anhand des Beispiels mit dem Gebrauchtwagenhändler aufgezeigt, der die Fake-News in die Welt gesetzt hat, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge hier bei uns vom Jobcenter ein Auto bezahlt bekommen.

Oft bleibt dennoch immer was hängen – und sei es das unbestimmte Gefühl, da könnte ja vielleicht doch was dran sein oder ist es wirklich so, dass die Jobcenter keine Autos finanzieren. Ich kann mich erinnern, dass es auch aus Ihren Reihen eine entsprechende skeptische Nachfrage gab. Das ist berechtigt, deshalb hier die faktenbasierte Auflösung:

Die „Faktenchecker“ con correctiv.org haben auf die auch von uns besprochene Meldung reagiert und haben diesen Artikel verfasst:

➔ Gabriele Scherndl (2024): Nein, Ukrainer bekommen in Deutschland nicht generell ein Auto vom Jobcenter, 30.04.2024: »Ein Autohändler in Niedersachsen berichtet, ein ukrainischer Kunde habe ein Auto im Wert von 1.650 Euro vom Jobcenter geschenkt bekommen. Er behauptet, dass sei eine Leistung für Ukrainer, die Deutsche nicht bekommen können. Das stimmt nicht.«

Achten Sie mal auf die Formulierung: „nicht generell“ – also kann es das doch geben?

Ich zitiere aus dem Artikel: »Die Bundesagentur schreibt uns, eine solche Kostenübernahme sei denkbar. Diese können aber unter gewissen Umständen all jene Personen bekommen, die Arbeitslosengeld oder Bürgergeld beziehen, auch Deutsche.«

Es wird dann Christine Huchzermeier, Pressesprecherin des Landkreises, in dem der Autohändler lebt, zitiert, die zuerst einmal den konkreten Fall als Fake-News einordnet, dann aber ausführt:

„Grundsätzlich ist es möglich, dass ein Jobcenter im Wege einer Beschäftigungsaufnahme Fahrzeuge fördern. Diese Möglichkeit besteht für alle Kunden des Jobcenters und ist als Förderinstrument im SGB II (Jobcenter) und SGB III (Bundesagentur für Arbeit) vorgesehen, um Kunden eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen.“

Also doch?

Lesen wir weiter. Was sagt die Bundesagentur für Arbeit?

»Es geht dabei um Leistungen aus dem sogenannten Vermittlungsbudget, die Personen beantragen können, die Arbeitslosengeld oder Bürgergeld beziehen. Als Beispiel für solche Leitungen nennt Kipp Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen oder Bewerbungskosten – und unter bestimmten Umständen auch ein Auto. Etwa, wenn der Arbeitsort eines Jobs, den die Person in Aussicht hat, nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist.«

Was da alles (nicht) machbar ist, können Sie diesem Dokument der BA entnehmen:

➔ Bundesagentur für Arbeit (2023): Förderung aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 44 SGB III. Fachliche Weisungen, Nürnberg, 16.05.2023

Einen Rechtsanspruch auf Förderungen, wie zum Beispiel von Autos, gebe es nicht. Außerdem müssten die zu erwartenden Kosten „angemessen“ sein, in der Regel würden nicht die vollen Kosten übernommen, sondern ein Zuschuss gewährt.

Und dieser Zuschuss ist in der Höhe begrenzt, wie man an anderer Stelle nachlesen kann, an enge Voraussetzungen gebunden und außerdem muss der Empfänger den Betrag monatlich in Raten wieder zurückzahlen, es werden 10 Prozent der Regelleistungen einbehalten. Es handelt sich also um ein zinsloses Darlehen.

Ein Darlehen kann nur gewährt werden, wenn ein Auto für die Aufnahme oder Erhaltung eines Arbeitsverhältnisses benötigt wird – beispielsweise aufgrund eines längeren Arbeitsweges, der nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden kann.

Das Darlehen fällt üblicherweise überschaubar aus. Mehr als 1.500 Euro werden in der Regel nicht gezahlt.