Wahlplakate als Objekte der Zerstörungswut. Wie sieht das – nicht nur im beschaulichen Remagen – aus?

Da haben wir im Seminar über die immer noch überraschend große Bedeutung der altmodisch daherkommenden Wahlplakate gesprochen und ich hatte das, was wir aus wissenschaftlicher Sicht wissen zum einen durch Blog-Beiträge vertieft, zum anderen haben sie zwei Fachtexte zur Wirkungsfrage bekommen: Geise/Brettschneider (2010) sowie Pappert/Czachur (2019).

Offensichtlich lösen die auch in unserer Region aufgehängten Wahlplakate bei dem einen oder anderen Aggressionen aus und verleiten zu einer Sachbeschädigung. Selbst hier im beschaulichen Remagen und dann auch noch direkt vor den Türen der Hochschule. Ich gehe mal davon aus, dass das kein Teilnehmer meines Seminars war (Sie sind ja ordentliche Studierende), vielleicht aus dem Bachelor-Bereich, weil da die sittliche Reifung noch zu Gange ist? Nein, dass hat sicher nichts mit den Studierenden (oder dem Lehrkörper) unserer Hochschule zu tun. Aber schauen Sie sich mal an, was der oder die Täter mit dem Wahlplakat am Fußball-Platz gemacht hat bzw. haben:

➔ Wir könnten hier eine kurze Lernzielkontrolle einbauen im Lichte dessen, was Sie nun schon wissen: Um was für ein Wahlplakat handelt es sich bei dem von der Freien Bürgerliste stammenden und angegriffenen Exemplar? Ist das die Variante, die als die erfolgreichste seitens der Wirkungsforschung bezeichnet wurde?

Aber muss man nicht vermuten, dass der oder die Täter über sozialwissenschaftliches Hintergrundwissen verfügen, denn es wurde gezielt das Gesicht herausgeschnitten aus dem Plakat? Oder handelt es sich um irgendeine rituelle Handlung schwer gestörter Menschen? Fragen über Fragen zu dem Einzelfall.

Aber bundesweit werden zahlreiche solcher Einzelfälle berichtet. Schauen wir dazu mal nach Berlin, da geht es ja sowieso meistens am heftigsten zu. Aus der Hauptstadt werden zahlreiche Wahlplakat-Zerstörungen gemeldet, die zudem noch eine Partei ganz besonders trifft:

»Zerrissen, beschmiert, entwendet: Die Europawahl-Plakate der AfD sind in Berlin sechsmal so oft von Vandalismus betroffen wie die aller anderen Parteien zusammen, meldet die Polizei. Die rechte Partei geht von einem fünfstelligen Schaden aus.« Das berichtet Matthias Kamann unter der Überschrift Zerstörungswut richtet sich vor allem gegen AfD-Plakate. Und das sind schon heftige Zahlen, über die berichtet wird:

»Keine andere Partei ist im Europawahlkampf in Berlin so sehr von Vandalismus betroffen wie die AfD. Nach einer Auswertung der Berliner Polizei … wurden bislang lang in der Hauptstadt 862 Wahlplakate der Partei beschädigt oder entwendet.« Damit ist die AfD in der Hauptstadt etwa sechs Mal so oft von Zerstörungswut betroffen wie alle anderen Parteien zusammen.

➔ Übrigens werden Sie hier erneut Zeuge, dass man immer genau hinschauen muss, wie bestimmte Statistiken erstellt werden, denn wir können dem Beitrag auch entnehmen: »839 dieser Sachbeschädigungen gelten als politisch motiviert; 23 werden der allgemeinen Kriminalität zugerechnet.« Da wird sich der eine oder andere von Ihnen sofort und richtigerweise die Frage stellen, wie man denn da die Unterscheidung vornimmt, anders ausgedrückt: Wann ist eine Tat politisch, wann allgemein? Dazu erfahren wir von der Berliner Polizei: „Wenn Wahlplakate mit politischen Parolen beschmiert werden, handelt es sich um politisch motivierte Kriminalität. Werden sie einfach nur heruntergerissen, zählen wir das als allgemeine Kriminalität“, erklärt eine Sprecherin der Berliner Polizei. Darüber kann man durchaus diskutieren oder auch streiten.

»Insgesamt zählte die Berliner Polizei bis zum vergangenen Donnerstag 1.006 beschädigte oder entwendete Wahlplakate. Nach der AfD sind mit großem Abstand die Wahlplakate von CDU (27), Linke (23) … am häufigsten das Ziel von Sachbeschädigungen. Die SPD war 15-mal betroffen, Grüne und FDP jeweils achtmal.

Und wie sieht es bundesweit mit Vandalismus gegen Plakate aus?

»Aus der FDP heißt es: Die Einschätzung des Dienstleisters für die Aufstellung der Großflächentafeln sei, dass Beschmierungen von Wahlplakaten im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 zunähmen. Regional gebe es jedoch große Unterschiede: In Ostdeutschland würden mehr Plakate beschädigt als in den westdeutschen Ländern. Nach Angaben der Linken gibt es bundesweit keine Erkenntnisse über eine gestiegene Zerstörungswut gegen ihre Plakate. Die anderen Parteien machten … keine Angaben. Auch in der AfD lagen keine diesbezüglichen Daten zum gesamten Bundesgebiet vor.«