Haben wir aus der Corona-Pandemie gelernt oder sollten wir das in einer Enquete-Kommission bzw. einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages aufarbeiten?

Offiziell ist die Corona-Pandemie für beendet erklärt. Sind wir jetzt an einem Punkt, wo wir sagen können, dass wir die notwendigen Lehren aus der vergangenen Pandemie gezogen haben?

Eine erste Annäherung an eine Antwort auf diese Frage versucht ein Vertreter der Gesundheitsämter in diesem Interview zu geben:

➔ Deutschlandfunk: Lehren aus Corona – Gesundheitsamt-Leiter: „Heute ist Deutschland besser aufgestellt“ (08.04.2023): »In der Coronazeit seien im Umgang mit alten und jungen Menschen Fehler passiert, so Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheitsamts. Im Fall einer neuen Pandemie sei Deutschland besser gerüstet, etwa in puncto Digitalisierung und Schutzausrüstung.«

Allerdings gibt es auch Stimmen, die fordern, dass wir die vergangenen drei Jahren in der Öffentlichkeit auf höchster Ebene aufarbeiten sollten:

»Drei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie debattiert die Politik darüber, wie die große Krise aufgearbeitet werden soll. Der Bundestag wird an diesem Mittwoch zu dem Thema beraten, doch die Vorstellungen der Parteien sind unterschiedlich«, so Hagen Strauß in seinem Artikel „Corona-Politik hat noch ein Nachspiel“, der in der Rhein-Zeitung am 19. April 2023 veröffentlicht wurde. Die Positionen der Parteien skizziert er so:

»SPD: Aus Sicht der SPD läuft die Aufarbeitung der Pandemie bereits. So habe erst vor Kurzem eine interministerielle Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht zu den gesundheitlichen Corona-Folgen für Kinder und Jugendliche vorgelegt. „Das Bundesministerium für Gesundheit arbeitet derzeit zudem mit Hochdruck an zahlreichen Reformen, um unser Gesundheitssystem robuster und nachhaltig finanzierbar zu machen“, sagte Vizefraktionschefin Dagmar Schmidt. Auch mit dem Gesetz zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung setze man die Lehren aus der Pandemie um. Zudem werde der Nationale Pandemieplan evaluiert, erprobt und angepasst.

CDU/CSU: Nach Ansicht von Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei hatte die Pandemie eine extreme Dynamik. „Dabei sind selbstverständlich Fehler gemacht und Defizite in unserem Staat und unserer Gesellschaft offenbar geworden“, sagte der CDU-Politiker unserer Zeitung. Etwa habe man es mit der Globalisierung übertrieben, „sodass wir noch nicht einmal schnöde Masken bewerkstelligen konnten“. Über eine Kommission zur Aufarbeitung könne man grundsätzlich sprechen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Sorge, hatte kürzlich die Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission oder ein Gremium im Bundestag angeregt. „Ein Untersuchungsausschuss macht jetzt aber keinen Sinn. Das ist AfD-Gebaren“, sagte Frei.

AfD: Für die AfD muss ein Untersuchungsausschuss her. Ein entsprechender Antrag steht heute auf der Tagesordnung des Bundestages. Das 16-köpfige Gremium solle „das Verhalten der Bundesregierung und ihrer Geschäftsbereichsbehörden im Zusammenhang mit der Bewältigung der Maßnahmen gegen das Coronavirus untersuchen“. Dabei gehe es darum, ob die „massiven Eingriffe in die Grundrechte der Bürger und in das deutsche Wirtschaftsleben und der Lockdown tatsächlich geeignet, erforderlich und angemessen“ waren. Die anderen Fraktionen wollen den Antrag ablehnen.

Grüne: Die Pandemie habe wie mit einem Brennglas die Schwachstellen des Gesundheitswesens gezeigt, sagte der Gesundheitsexperte der Fraktion, Janosch Dahmen, unserer Zeitung. Es komme nun nicht darauf an, „mit viel Aufwand in einer Enquetekommission oder einem Untersuchungsausschuss“ theoretische Erörterungen anzustellen, sondern das Gesundheitswesen müsse besser auf Pandemien vorbereitet werden.

FDP: Die Liberalen sind für eine Enquetekommission „Pandemie“. In einem Positionspapier hält die FDP fest, es sei zu Grundrechtseingriffen gekommen, die es so in der Republik noch nie gegeben habe. „Hierzu zählen Besuchsverbote, einsames Sterben in Einrichtungen, die Schließung von Kitas und (Hoch-)Schulen, die weitgehende Stilllegung des kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens bis hin zu Ausgangssperren.“ Diese Maßnahmen müssten in Bezug auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit bewertet werden, fordert die FDP.

Linke: Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, erklärt: „In einem Untersuchungsausschuss an der Oberfläche zu kratzen, ändert nichts.“ Stattdessen müsse die aktuelle Bundesregierung in die Pflicht genommen werden, „das Land krisenfest aufzustellen. In der Pflege, im Krankenhaussektor, in der Kinder- und Jugendpolitik.“ Fehle es an Geld, „muss man es sich bei den Konzernen und Milliardären holen“.«

Einen heftigen Streit hat es diese Tage im Parlament schon gegeben

Heftiger Streit über das Krisenmanagement in der Corona-Pandemie, berichtet der Deutsche Bundestag am 21. April 2023. »In einer emotionalen und teils heftig geführten Grundsatzdebatte haben Regierung und Opposition am Freitag, 21. April 2023, über das Krisenmanagement während der Corona-Pandemie und die Folgen für Kinder und Jugendliche beraten. Anlass war die Vorlage des Abschlussberichtes der Interministeriellen Arbeitsgruppe über die gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche (20/5650), der als Unterrichtung vorliegt. In der Debatte am Freitag warf insbesondere die AfD den verantwortlichen Politikern der anderen Parteien schweres Versagen auf Kosten der Gesellschaft vor.
Die Linke rügte ihrerseits die Sozialpolitik der Regierung als völlig unzureichend. Redner der Ampel-Koalition räumten Fehler ein, machten aber geltend, dass es in der Pandemie keine Handlungsvorlage gegeben habe und Entscheidungen schnell getroffen werden mussten. Im Wesentlichen einig waren sich Familien- und Gesundheitspolitiker darüber, dass für das Wohl von Kindern und Jugendlichen künftig mehr getan werden müsse, insbesondere für Kinder in benachteiligten Familien.«

Speziell die Kinder und Jugendliche sind ja Thema einer der Arbeitsgruppen in diesem Semester. Wir werden dann noch genaueres erfahren.